Warum nur ausgerechnet ein Mudi?!?
von Dörte Kolkmeyer
Eine Weile nachdem mein Vorgängerhund auf tragische Weise ums Leben kam, drückte mir eine Freundin ein Hunderassenbuch in die Hand und sagte: da suchst Du Dir jetzt einen aus. Du brauchst einen Hund, Socke ist eh nicht zu ersetzen – also kannst Du auch mit Verstand wählen!
Na gut. Die Liste mit den Vorraussetzungen, die ein Hund für mich erfüllen sollte, sah dann folgendermaßen aus:
- 40-50cm groß
- schwarz
- Hütefähigkeit auch für Pferde
- schnell
- clever
- wetterbeständiges Fell
Da war die Auswahl nicht so groß…
So kam Amanda zu mir. Ein großartiger kleiner – äh was eigentlich?! Ein Freund guckte den dann 16 Wochen alten Welpen an und murmelte „eindeutig eine Kreuzung zwischen Merino-Landschaf und Hauskatze“. Na egal ob Hund oder was sonst: Amanda war eine Spezialistin am Pferd und eine wunderbare Begleiterin. Leider wurde sie wegen eines Herzfehlers nur 5 Jahre alt.
Aber der Mudivirus war installiert!
Nach Amandas Tod waren ein paar Jahre ins Land gegangen, während derer ich mithilfe von Kiebitz der Aussie-Hündin Einiges gelernt hatte über Hunde, und große Lust bekam, noch viel mehr zu lernen. Ein Zweithund sollte her – diesmal wieder ein Mudi. Natürlich eine Hündin, und selbstverständlich eine schwarze! Weil es in Deutschland in dem Jahr keine Welpen gab, suchte ich weiter in Ungarn, bestellte eine neue kleine schwarze Mitbewohnerin, fuhr los zur Abholung und kam mit einem grauen Rüden aus Budapest wieder nach Hause… Das schwarze Mädelchen hatte einfach nicht mit mir „gesprochen“, der Rüde dafür umso mehr.
Völlig unvernünftig war das, ich weiß, schließlich war ja mein „Ersthund“ Kiebitz eine intakte Hündin und sollte das auch noch bleiben – aber wie langweilig wäre das Leben, wenn alles nach Vernunft abliefe! Auch wenn ich zugebe, daß ab und an etwas Langeweile auch mal ganz erstrebenswert wäre…
Eine Freundin hatte mich vor diesem Welpen gewarnt – der würde mir noch einen Haufen Schwierigkeiten machen mit seiner immensen Energie und Vitalität. Auch die Züchter hatten schon über Bolle gesagt, er sei „ein Welpe wie ein Panzer“.
Aber: frau wächst ja mit ihren Aufgaben, und ich wollte ja ausdrücklich einen Hund haben, mit dem ich noch ganz viel lernen kann.
Damit begann das „Abenteuer Bolle“!
Da war er also, der kleine Fratz… Kräftig! Lockig! Vital!
Seine Energien in erwünschte Bahnen zu lenken war tatsächlich nicht ganz einfach. Aus verschiedenen privaten Gründen lief am Anfang Einiges schief und behinderte damit Bolles Sozialisierung, auch schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden trugen ihr Scherflein dazu bei. Er führte zwar ein auf den ersten Blick herrliches Leben auf dem Lande mit Pferden, Menschen und anderen Hunden auf demselben Hof, auf den zweiten Blick jedoch fand er alle Menschen außer mir völlig überflüssig und bekam zu wenig Kontakt mit freundlichen Fremdhunden – typische Sozialisierungsfehler eben. Vieles ist für einen Hund leichter, wenn er nicht abgeschieden auf dem Lande, sondern in einem Ballungsgebiet mit mehr Außenreizen lebt.
Dann noch der Unfall: aufgestaute Energie durch Streß suchte sich ein Ventil an einem hunde-ungewohnten Gastpferd mit dem schrecklichen Ergebnis, daß Bolle seitlich vor den Kopf getreten wurde. Der Tritt ließ das Jochbein splittern und zerstörte sein linkes Auge.
Nun läuft Bolle einäugig durch die Weltgeschichte, aber er hat damit zum Glück meistens weniger Schwierigkeiten, als die ihm begegnenden Menschen.
Es war vielleicht keine sooo gute Idee gewesen, den Hund ausgerechnet Bolle zu nennen…
Aber wir machen das Beste aus dem, was wir haben! Als ein guter Mudi ist er ja stets bereit, mit mir zusammen zu arbeiten – auch wenn er manches mal denkt, er weiß besser bescheid als ich – so haben wir Vieles, das uns beiden viel Freude macht.
Als da wäre: die sogenannte „Unterordnung“, bei der er es toll findet, ganz dicht bei mir belohnungsträchtige Sachen machen zu dürfen; über die Wiesen spazieren und Pferde zählen (nee, NICHT treiben); Agility, wo er mir zuliebe und weil er danach auch auf die Wippe darf, Begeisterung für´s Springen vortäuscht; eigentlich immer dabei sein; Apportieren; auf die Pferde aufpassen (ist eines auf der falschen Seite des Zaunes, macht er mordsmäßigen Radau); Fahrradfahren (also ICH fahre und ER läuft); Spuren verfolgen (ui hat der eine gute Nase!); Tricks lernen (gerade übt er, Türen hinter sich zu schließen); im Auto überallhin mitfahren; Longiertraining (in Kombination mit Tricks, „Unterordnung“, Agility und Apportieren, aber ohne Fahrrad) und selbstverständlich Schmusen zu ungezählten Gelegenheiten.
Über all dies wurde und wird ganz nebenbei auch seine Sozialisierung immer weiter vorangetrieben. So hat er in diesem Januar den Tag auf der Grünen Woche tapfer überstanden, sich von mindestens 40 fremden Menschen streicheln lassen und sich auch von den vielen fremden Hunden nicht mehr nennenswert aus dem Konzept bringen lassen.
Mal ganz abgesehen von den Dingen, die wir gemeinsam lernen, bin ich immer wieder von seiner Leichtfüßigkeit genauso hingerissen wie von seiner Konzentration, seiner Schnelligkeit und Ausdauer (40km/h über mehrere km), den Radartütenohren, der Art, wie er mir den Kopf aus´s Knie legt, wenn ich mal traurig bin, und seinen überaus eleganten Mäuselsprüngen…
Und Bolles Talente als Kindergärtner sind fantastisch! Schon als 6monatiger Springinsfeld half er Kiebitz mit Begeisterung bei der Aufzucht ihres Wurfes, auch im nächsten Sommer gleich wieder. Welpen liebt er über Alles, spielt sehr sehr rücksichtsvoll und altersangepaßt mit ihnen und lacht dabei über sein ganzes Piratengesicht. Vielleicht sollte ich mal über eine betriebliche Umstrukturierung nachdenken und permanente Welpenaufzucht betreiben, anstatt doofen Reitunterricht zu geben, bei dem fleißige grau-lockige Helfer unverständlicherweise nicht benötigt werden…
Ich bin gespannt, wie es sich mit ihm und uns weiter entwickeln wird und welche weiteren Talente noch auftauchen werden. Neulich z.B. meinte er unbedingt die läufige Maremmanerhündin von nebenan beglücken zu müssen und hat im Zuge seiner Anstrengungen gelernt, das Hoftor zu öffnen. Hm. Ob das die Briefträgerin erfreuen wird?
Aber sonst (wenn die Hormone nicht gerade verrückt spielen) ist Bolle sehr hoftreu. Warum den Hof verlassen, wenn die Chefin nicht dazu auffordert? Man könnte ja eine spannende Aufgabe verpassen – Spatzen scheuchen, beim Feuerholztransport helfen, einen alten Knochen finden, an den Grenzen patroullieren, den alten Knochen wieder vergraben, gefrorene Pferdeköttel („Sch..ßeis“) herumtragen, Komposthaufen abchecken, Kiebitz beobachten beim Ausgraben des Knochens, Bälle kaputtbeißen, Katzenfutternäpfe kontrollieren, den Knochen woanders verstecken, auf das Auto aufpassen und das Wichtigste: immer bereit sein, wenn er gebraucht werden könnte.
Damit ist doch die Titelfrage hinreichend beantwortet, oder?
Steckbrief
Name: Bolle (Gondüzö-Alkonyat Merész Lopásgátló)
hab ich mir übersetzen lassen: „Mutige Diebstahlsicherung“! Nee nee, auch wenn er genau das ist, sowas ruf ich nicht quer durch den Wald… Deswegen: BOLLE!
Geboren: 16.12.2008
Hobbys: Rennen – je schneller, desto besser; Spuren suchen und verfolgen, (illegales Hobby: Hasen oder Rehe scheuchen); den Hof gegen den Rest der Welt verteidigen; beim Reitunterricht faule Pferde antreiben; bei den Brandenburgischen Konzerten und Kunstliedern aus dem Radio mitsingen (Tenor)
Eigenschaften: reaktionsschnell, will alles richtig machen, lerneifrig, bei Fremden zurückhaltend, kuschelfreudig (bei Fremden mit etwas Anlaufzeit)
mag am liebsten: Tempo! Sonst immer in der Nähe sein, mit Welpen spielen, Pansen und getrocknete Lunge fressen
mag nicht: alleine sein, an der Leine zugucken müssen, wie die Pferde auf die Koppel rennen
wohnt in: auf dem Pferdehof Königsbusch bei Putlitz
bei: Dörte Kolkmeyer